Mittelalterliche Siedlung in Haddorf

Vom 15. August bis zum 23. September 2011 fanden auf dem Baugebiet „Haddorfer Höfe“umfangreiche archäologische Untersuchungen statt. Zunächst wurden mit dem Bagger Suchschnitte angelegt, um erste Erkenntnisse zur Verteilung der Befunde auf der großen Fläche zu erhalten. Bereits die ersten Suchschnitte gaben Hinweise auf eine ehemalige Siedlungstätigkeit im Umkreis eines mittelalterlichen Gehöftes, das vermutlich mit dem Hof Hardorppe in Verbindung steht, der erstmals im Jahr 1204 in einer Schenkungsurkunde schriftlich erwähnt wird. Daraus geht hervor, dass Pfalzgraf Heinrich, Sohn Heinrich des Löwen, die Curia Hardorppe – zu der ein umfangreicher Besitz gehörte –  an das Benediktinerkloster St. Marien vor Stade übertrug.

Anschließend wurde in 3 größeren Untersuchungsarealen der Mutterboden großflächig abgetragen. Der Oberboden hatte eine Höhe von ca. 70-80 cm. Diese in unseren Breiten untypische Mächtigkeit resultiert aus dem Umstand, dass es sich hier  um einen Eschboden handelt. Um dem Boden Dünger zuzuführen wurde früher abgeplackte Heide, vermischt mit Stroh und Dung dem Boden zugeführt. So wuchs Jahr um Jahr die Mutterbodenschicht. Eschböden erreichen eine Mächtigkeit von bis zu 1m.

Bei den archäologischen Ausgrabungen konnten auf dem Gelände  diverse Grundrisse von ehemaligen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden freigelegt werden, sowie ein Feldsteinbrunnen, zwei hölzerne Kastenbrunnen, eine größere Feuerstelle und ein sogenanntes Grubenhaus. Die zahlreich ausgegrabene Keramik weist die ersten archäologischen Befunde bereits in das frühe und hohe Mittelalter (9. -11. Jahrhundert n. Chr.). Neben diesen mittelalterlichen Befunden sind aber auch Befunde vertreten die in die frühe Neuzeit (17.Jahrhundert) reichen. Eine abschließende Datierung steht jedoch noch aus. So kann zum Beispiel auch das Holz der beiden mittelalterlichen Brunnen durch eine Dendrochronologie (Jahresringdatierung) genaue Auskunft über das Alter der Siedlung geben.

Die Hausgrundrisse werden erkennbar durch dunkle Bodenverfärbungen die ehemalige Pfahlsetzungen  im hellem Sand hinterlassen. Im frühen und hohen Mittelalter war es auf dem Lande noch nicht üblich, dass die tragenden Pfosten der Häuser auf Feldsteinfundamenten ruhten. Vielmehr wurden die das Gebäude tragenden Pfähle in den Boden eingegraben. Mit der Zeit faulte das Holz. Dann musste der Pfahl ersetzt werden, oder wenn nicht nur ein Pfahl marode war, sondern die ganze Konstruktion, das Haus abgerissen und ein neues, häufig nur ein paar Meter versetzt errichtet werden. Häuser, die in dieser Bauweise errichtet wurden hielten nur ein paar Jahrzehnte. Bei langer Siedlungskontinuität eines Ortes bedeutet dies, das in kurzen zeitlichen Abständen immer wieder Gebäude errichtet werden und Pfostenlöcher hinterlassen, die sich teilweise überlagern. Dieser Umstand  macht es  manchmal schwierig, die einzelnen Löcher einem Gebäude zuzuordnen, um so Erkenntnisse zur Grundrissstruktur der Häuser zu gewinnen. Auch in Haddorf verhielt es sich so. Um hier einen besseren Überblick zu erhalten wurden von unserem AG Mitglied Uli Fotografien des sogenannten Planums mit einem mehrere Meter langen Teleskoparm erstellt.

Damit solche Fotos erstellt werden können, muss die Fläche entsprechend vorbereitet werden. Dies geschieht gewöhnlich in mehreren Etappen:

  • Nach Abschieben des Oberbodens werden die Befundstellen markiert und mit einer identifikationsnummer versehen.
  • Anschließend wird ein sog. grobes ‚Schaufelplanum‘ hergestellt, um Unebenheiten die der Bagger/Radlader hinterlassen hat zu beseitigen.
  • Anschließend wird die Erde um die Befundstelle herum, mit der Kelle ‚geputzt‘  um eine glatte Fläche zu erhalten und um trockenen Sand zu entfernen, damit die Bodenverfärbungen deutlicher werden.
  • Die so präperierten Fundstellen werden dann eingemessen, fotografiert und z.T. auch als Zeichnung festgehalten.
  • Bei interessanten Befunden wird dann anschließend noch ein vertikales Profil angelegt, um die vertikale Struktur des Befundes zu erkennen. Entweder wird hierfür ein mittiger Schnitt angelegt oder bei größeren Flächen die gesamtfläche in 4 Quadranten engeteilt, die dann ausgehoben werden, wobei an den Achsen Stege des Ursprungsprofils stehengelassen werden.
  • Auch diese Vertikalschnitte werden dann eingemessen, fotografiert und gezeichnet.
  • Sofern im Ausfund Funde entdeckt wurden, werden diese in Tüten gesichert und dem Fundort anhand der Identifikationsnummer des Befundes zugeordnet.

Ein Ziel der wissenschaftlichen Grabungsauswertung ist es u.a. Erkenntnisse zu gewinnen, wie sich  unterschiedliche Haustypen über die Jahrhunderte in unserer Region herausbildeten und ggf. vergleichende Untersuchungen mit anderen Befunden anzustellen, um z.B. die räumliche Verbreitung bestimmter Hausformen feststellen zu können . Ländliche mittelalterliche Siedlungsbefunde sind jedoch äußerst selten, weil sich die Übereste dieser Siedlungen häufig unter unseren heutigen Dörfern befinden, die auf der Geest eine Siedlungskontinuität seit dem Mittelalter aufweisen.

Die in Haddorf freigelegten Grundrisse weisen unterschiedliche Größenauf. Einige Grundrisse weisen Ausmaße von 20 m Länge und 8 m Breite auf. Daneben gibt es auch kleinere Gebäude, wie beispielsweise das 4 x 2,5 m messende Grubenhaus. Es handelt sich um ein 2-Pfostengrubenhaus und es war c.a einen halben Meter in den Boden eingetieft und mit einer Art „Nurdachkonstruktion“ bedeckt. Seine früheste Nutzung weist bisher in das 10.Jh. Derartige Grubenhäuser wurden im Mittelalter gerne als Werkstatträume verwendet. Auch in Haddorf verhielt es sich so. Aufgrund der zahlreich geborgenen ringförmigen Webgewichte aus Ton können wir davon ausgehen, dass das Grubenhaus als ‚Webhaus‘ genutzt wurde.

Um mehr über die Nutzung der Gebäudeteile in Erfahrung zu bringen wurden auch systematisch Bodenproben entnommen, um im Labor die Phosphatkonzentration zu messen. Eine erhöhte Phosphatkonzentration ist eine Indikation für die Aufstallung von Vieh (Gülle). In diesem Zusammenhang interessiert, ob das Vieh in bestimmten Teilen des Hauses unter einem Dach lebte, wie es später auch beim niedersächsischen Hallenhaus der Fall war, oder ob das Vieh damals getrennt untergebracht war.

Neben den Hausgrundrissen konnten auch zwei Kastenbrunnen aus Holz freigelegt werden. Die Hölzer wurden geborgen, um später eine dendrologische Altersbestimmung durchführen zu können. Hierzu müssen die Hölzer allerdings vor dem Verfall geschützt werden. Dazu werden sie gewöhnlich mit einer dünnen Kunststofffolie umwickelt und in ein Wasserbad gelegt, um Austrocknung zu vermeiden.

Zur ausführlichen Fotostrecke zur Grabung >>>

 

<<< vorherige Mitteilung          Seitenanfang          nächste Mitteilung >>>